Essen und Trinken im jiddischen Lied

 

 

Jiddische Lieder bieten eine reichhaltige Innensicht auf das Alltagsleben der Menschen. So auch zum Essen und Trinken. Aber selten finden sich in einem Volksliedbestand derart viele Lieder zu diesem Thema.

Sicher, Trinklieder, die einfach nur eine gute Stimmung verbreiten und das Gemeinschaftsgefühl stärken sollen, die gibt es auch (A glezele lekhaym und A bisele yash).

Aber im Allgemeinen dient die Auseinandersetzung über den jeweiligen Gegenstand meist weniger der Speise an sich oder deren Zubereitung, viel mehr ist sie Anlass für weitschweifigere Überlegungen.

 

In dem Wiegenlied Rosinkes mit mandlen entwickelt die Mutter eine Phantasie über einen künftigen Lebensweg – ein einfacher Händler und Krämer wird ihr Sohn einmal sein.

Den vergeblichen Wunsch nach persönlicher Freiheit formuliert Di vilde kathke, die sich nur unter Protest in ihr Schicksal als Festtagsbraten fügen will und dabei bis zum Ende ihren Humor behält.  

Kartoflsup, Bulbes und  Bublithki beygelekh lenken den Blick auf die Familien, bei denen als ständiger Begleiter oder als Gast bei Tisch bittere Armut zu begrüßen ist.

Wie soll man da gute Varnitshkes machen? Ohne Mehl, Hefe, Butter … wenn man doch mit den köstlichen Teigtaschen den künftigen Liebsten erobern will … Das geht übrigens auch mit Borsht. Für diesen einen ganz besonderen Genuss ist der Erzähler sofort bereit, seine lange gepflegte Junggesellen-Existenz aufzugeben. Und Hudl mitn strudl schließlich kocht und backt so gut, dass der unglücklich in sie verliebte Untermieter sich damit begnügen muss,  ihr köstliches Gebäck zu verspeisen.  

Davon kann Jachne Dwoshe nur träumen, ihre Homentashn bleiben am Ende ungenießbar und schwarz.

 

Allgegenwärtig und alltäglich ist die Religion, und so beschäftigt sich der Nigun Esn est zikh mit den Fährnissen, ein wirklich frommes Leben zu führen, weil es Disziplin verlangt, die sich nicht zwangsläufig aus dem Tagesablauf ergibt, sondern geübt werden muss. Dos bisele shpayz entpuppt sich als tief empfundenes Tischgebet. Mit Peysakh schließlich beschäftigt sich S’iz matse do – ein Kinderlied, das in die große Tradition dieser Feier einführt, bei der alle zusammen zum Seder am festlich gedeckten Tisch sitzen.

Gefilte Fish – die hohe Kunst einer jeden jüdischen Hausfrau, repräsentiert Jiddischkeit pur, ein kleinster gemeinsamer Nenner, auf den man unabhängig von Glaubensvorstellungen von arm bis reich, von streng orthodox bis aufgeklärt säkular oder gar bundistisch vermutlich fast die gesamte ashkenasische Judenheit bringen konnte. Und das nicht nur von Wilna bis Odessa, sondern bis heute auch in New York, Buenos Aires oder Tel Aviv.